Global Bass Online July 2001
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Die CRÈME de la CRÈME
Ueber vierzig Jahre
dauert die Karriere des innovativen und faehigen Bassisten Jack Bruce nun schon
an. Seit den revolutionaeren Zeiten mit Cream
ueber seine 70er Fusion-Unterfangen mit Tony Williams und John McLaughlin hat
sich Jack immer weiterentwickelt. Seine Karriere erinnert an die seines
englischen Kollegen, der Gitarrenlegende Jeff Beck, insofern Bruce, wie Beck,
die Grenzen zwischen Rock, Jazz und Jazzrock ueberschreitet, und dabei jedesmal
duftend wie eine Rose herauskommt. Jack
hat Heerscharen von loyalen Fans, viele seit den 60er Jahren, und gewinnt jeden
Tag neue junge Fans dazu. Als Wheels of
Fire 1968 herauskam, wurde Jack ohne Zweifel zum groessten E-Bassisten des
Rock und Jazz der Welt. Einige der grossartigsten und einzigartigsten
Bassinnovationen, die es je gab, waren seine Basslaeufe auf Crossroads
und Spoonful, beide auf Wheels of
Fire. Es war einfach
unglaublich, speziell wenn man bedenkt, dass er das alles groesstenteils auf
Fender-Baessen mit flachgeschliffenen Saiten ueber 25-Watt Ampeg B-15
Verstaerker spielte. Seinen Gibson EB-3 Bass mit verkuerzter Mensur spielte Jack
ueber einen 100 Watt Marshall-Turm und liess es einfach krachen. Waehrend
die Bass-Welt inzwischen zu Jack aufgeschlossen hat, was reine Technik auf dem
Instrument betrifft, kommt noch heute niemand auch nur in seine Naehe, wenn es
darum geht, Gefuehle und Ueberzeugung zu vermitteln. Ob er singt oder Bass
spielt, ueberrascht Jack seine Mitmusiker – wie schon Miles und Mingus – mit
seinen Basslinien und seiner Musik, die einzigartige musikalische Meisterwerke
darstellen. Er war, wie Jeff Berlin sagt, “der erste Virtuose auf dem
elektrischen Bass.” Wenn
man ueber Jack Bruce spricht, tendiert man dazu, hauptsaechlich ueber seine Zeit
mit Cream zu sinnieren. Wenn man mit
ihm spricht, wird klar, dass er sich sehr wohl seiner Beliebtheit und
Wertschaetzung aus den Zeiten mit Clapton und Baker bewusst ist, aber er moechte
auch, dass die Leute wissen, dass er sich enorm entwickelt hat als Texter,
Saenger und Bassist seit diesen Zeiten. Die Zeit mit Cream
war einfach eine wunderbare Phase in seiner bemerkenswerten Entwicklung. Er
setzte einen Standard ... und zog dann weiter. Am
9. Juli 2001 wird Sanctuary Records Jack’s neuestes Werk namens Shadows
In The Air veroeffentlichen. Jack freut sich sehr ueber seine neueste Arbeit.
Die Musiker auf Shadows In The Air
sind einige der geschaetztesten Musiker im Latin Jazz.
Mit dabei sind auch solch legendaere Kuenstler wie Dr. John, Eric Clapton,
Vernon Reid und Gary Moore. Jack hat zehn Songs fuer die Platte komponiert und
dann sechs fruehere Werke ueberarbeitet – bekannte Toene aus seinen
vorhergehenden Soloalben Songs for a
Tailor und I’ve Always Wanted to do
This, und aus seinen Zeiten mit Cream
und West Bruce and Laing.
Ich
traf Jack in einem Hotel an der 54sten Strasse in Manhattan. Als ich sein Zimmer
betrat, sass er gemuetlich auf dem Sofa mit einem wunderschoenen Warwick-Bass,
den er einem Freund geben wollte. Manchmal, wenn ich ein Interview mache, gehe
ich nachher enttaeuscht nach Hause, weil meine Helden nicht so waren, wie ich
sie mir vorgestellt hatte. Jack jedoch uebertraf alle meine Erwartungen. Er
stand mit beiden Fuessen auf dem Boden der Realitaet, behandelte mich
respektvoll und war sehr enthusiastisch – und das, obwohl er seit neun Uhr
morgens Interviews gab, und ich war der letzte Termin irgendwann nach neun Uhr
abends! Seine Antworten auf meine Fragen waren klar strukturiert und schnell,
und er vermittelte den Eindruck, dass er wirklich hier sein wollte. Als er mir
gegenueber sass, strahlte er Charakter und Vertrauen aus. Wir sprachen ueber
seine neue CD und klaerten einige Missverstaendnisse ueber die Gruendung von Cream
auf. GB)
Ich habe gehoert, dass Ernest Ranglin einen grossen Einfluss auf dich hatte in
den Anfaengen deiner Karriere. Wieso? JB) Nun,
nicht von Anfang an. Ich hatte schon ein rechtes Weilchen gespielt. Ich habe mit
17 angefangen, professionell zu
spielen. Mit Ernest Ranglin kam ich erst etwas spaeter, ca. 1965, in Kontakt, da
hatte ich also schon ein paar Jahre gespielt. Ernest Ranglin hat mich insofern
beeinflusst, dass ich bis dahin Kontrabass gespielt hatte, und er bat mich,
Bassgitarre zu spielen. GB)
Was fuer Musik machte Ernest Ranglin? JB) Ernest
ist ein sehr guter jamaikanischer Gitarrist, der sehr viel zur Entstehung der
Ska-Bewegung beitrug, und er entwickelte auch einige der fruehen Raggae-Sachen
und so. Er ist also ein sehr wichtiger Musiker. Er spielt noch immer
hervorragend Gitarre. GB)
Ich habe gehoert (ueber Internet) dass Cream
gegruendet wurden, nachdem Du, Eric Clapton und Ginger Baker ein Hendrix-Konzert
in England gesehen hatten. Stimmt das? JB)
Ich weiss wirklich nicht, warum da so viel Verwirrung herrscht. Die
Urspruenge von Cream sind gut
dokumentiert. Cream gab es schon eine
Weile, bevor Jimi erstmals nach England kam. Wir waren eine etablierte Band, es
lief gut. Wir hatten bereits Hits und so. Jimi kam also vorbei, und ich traf ihn
in London, per Zufall, und er fragte mich, ob er mit Cream zusammensitzen duerfe, und so kam er an ein Konzert und
spielte mit. Das war das erste Mal, das wir ihn spielen hoerten, obwohl wir
schon von ihm gehoert hatten. Ich glaube, die Tatsache, dass Cream ein Trio
waren, hat Jimi sehr beeinflusst, auch im Trio zu spielen. Jimi hatte nichts
mit der Gruendung von Cream zu tun. GB)
Sprechen wir ueber deine neue CD Shadows
In The Air. War es deine
alleinige Idee, Latin-Einfluesse in deine Musik einzubringen? JB) Ich
habe mit einigen Musikern von Shadows in
the Air schon seit 17 Jahren immer mal wieder zusammengespielt.
Die erste Platte, die ich in diesem Stil gemacht habe, war Desire Develops an Edge, eine Platte mit sehr vielen Latinjazz-Fusion
Einfluessen, die vor 17 Jahren in NYC produziert wurde. Ich habe mit diesen
Jungs einige Platten gemacht mit ihrer Musik, und fragte sie nun, ob sie Jack
Bruce Songs spielen wuerden, so ist diese Platte entstanden. Ich wollte
unbedingt Sunshine Of Your Love und White
Room nochmals machen, und ich hatte zwei Balladen, die ich geschrieben hatte,
Dark Heart und Heart Quake. Diese vier Lieder wollte ich unbedingt auf der CD haben.
Wir gingen ins Studio und schnittten die beiden Balladen mit mir am Piano und
Gesang live mit, mit Milton Cardona an der Perkussion. Dann sprachen wir
darueber, was wir sonst noch machen wollten, denn obwohl die Musiker auf Shadows
In the Air Latin-Musiker sind,
wuchsen sie mit Liebe zu Rockmusik auf. Sie
kannten meine Soloalben und offensichtlich auch die Cream
- Platten. Es war ihre Idee, Out In the
Fields (West, Bruce, Laing) draufzunehmen, und ich war einverstanden. GB)
Ich habe vor ein paar Monaten Ron Carter fuer Global Bass interviewt, der auch
eine neue CD mit Latin-Groove gemacht hat. Kennst Du sie? JB) Noch
nicht, aber ich werde das noch nachholen. Ich habe Ron seit den fruehen Tagen
verehrt. Das erste Mal hoerte ich ihn auf der Platte von Gil Evans Out
of the Cool, die mich sehr beeinflusst hat. Ron ist ein grossartiger
Bassist, ein fantastischer Musiker. GB)
Dein Sohn Malcolm spielt auch mit auf Shadows
In The Air. JB) Ja.
Malcolm spielt Gitarre und Keyboard und ist en exzellenter Arrangeur. Er hat mir
bei den Blaeser-Arrangements geholfen, da ich keine Zeit hatte, alles
auszuschreiben. Er besuchte die Guildhall School of Music, ein grosses Londoner
Konservatorium. GB)
War das das erste Mal, dass Du etwas mit ihm aufgenommen hast? JB) Nein,
er spielte schon auf der Platte A Question
Of Time mit, die ich vor etwa zehn Jahren aufgenommen habe. Er spielt auf
dem Bonus-Track. Damals war er erst 15 Jahre alt. GB)
Wo habt ihr Shadows In The Air
aufgenommen? JB) Das
wurde alles in New York aufgenommen, und dann habe ich einfach noch Eric und
Gary Moore dazugemischt in London. Ich arbeite gerne in New York, das ist mein
Lieblingsort fuer Aufnahmen. Die Stadt hat einfach einen Vibe. GB)
Hast Du im Studio ueber einen Verstaerker gespielt oder direkt ins Mischpult? JB) Ich
mache beides, aber meistens gehe ich direkt ins Mischpult wegen der Warwick-Baesse,
die ich spiele. Der direkte Klang ist erstaunlich. Ich benuetze
keine Roehren-Vorverstaerker oder so, ich finde den direkten Klang meines
Warwick so gut. GB)
Erzaehl mir doch bitte mal ein wenig ueber deine Technik mit der rechten Hand. JB) Ich
habe viel von meiner Technik aus dem Studium der Veena gelernt, eines ca. 2000
Jahre alten, indischen Instruments. Ich habe kuerzlich wieder angefangen, Veena
zu spielen. Die Technik ist gleich wie James Jamerson’s “hook” Technik. GB)
Du scheinst aber auch eine sehr gut entwickelte linke Hand zu haben. JB) Ja,
ich denke, vieles kommt davon, dass ich mit Cello und Kontrabass angefangen habe.
Da entwickelt man eine ziemlich starke linke Hand. Das zahlt sich aus. Die Leute
fragen mich staendig, was fuer Saiten, Effekte und Pedale ich fuer meinen Klang
benuetze. Das kommt aber alles von den Fingern. Das hat Jaco schon vor langer
Zeit gesagt. GB)
Ich zaehle jetzt ein paar Namen auf, um deine Reaktion zu sehen. Paul McCartney
und die Beatles. JB) Paul
ist ganz sicher ein Bassist, den alle kennen. Er hat ein paar unglaublich
wichtige Songs geschrieben, speziell etwa in der Mitte der Bluetezeit der
Beatles. Mehr noch denn als Bassist hat mich Paul aber als Songschreiber
beeinflusst, und ich eiferte einigen dieser fantastischen Lennon/McCartney-Songs
nach. Ich wollte versuchen, einen richtigen Popsong zu schreiben. GB)
Felix Pappalardi JB) Er
war eine sehr wichtige Person in meinem Leben. Eigentlich durch Zufall wurde er
der Produzent von Cream. Er war gerade
in den Atlantic Studios an dem Tag,
als wir dort ankamen, und die wussten nicht, was sie mit uns anfangen sollten.
Da war also Felix, und er wurde unser Produzent, und das war ein grosses Glueck
fuer uns. Wir wurden wie Brueder, denn wir hatten beide einen aehnlichen
Hintergrund, da wir beide eine klassische Ausbildung genossen hatten, aber auch
Rockmusik liebten. Er produzierte auch mein erstes Soloalbum, Songs
for A Tailor. GB)
Zum Schluss, zaehl bitte einige deiner momentanen Lieblingsbassisten auf.
JB) Jeff
Berlin, Geddy Lee, Les Claypool. Mein Lieblings-Rockbassist ist Flea. Er spielt
wirklich satt und ist fantastisch! GB)
Jack, vielen Dank. Einige
Leute limitieren sich an den Grenzen, die die Gesellschaft ihnen setzt, andere
versuchen, die gewoehnliche Denkweise zu aendern. Vor 1954 konnte sich niemand
vorstellen, eine Meile unter vier Minuten zu rennen, aber als England’s Roger
Bannister genau dies im Mai 1954 tat, ebnete er den Weg fuer andere und setzte
neue Standards. Vor Jack’s Ankunft in der Szene fristeten die Bassisten ein
Schattendasein, angekettet an ihre Verstaerker. Dann kam Jack und zeigte der
Welt, dass die elektrische Bassgitarre auch ein Lead-Instrument sein kann,
mindestens so gut wie die E-Gitarre. Er bewies, dass ein Bassist auch ein
herausragender Teil einer Band sein kann, und veraenderte die Ansichten ueber
Bassisten fuer alle Zeiten. Ausser
dass er einige der zeitlosesten Musikstuecke dieses Jahrhunderts geschrieben
hat, hat sich Jack auch Bewunderung und Respekt fuer seine Faehigkeiten verdient.
Dann Glenn, ein brillanter Bassist/Komponist, der neue Standards in Bass-Virtuositaet
setzt, traegt den Bass auch in unvorstellbare Sphaeren. Ich fragte Dann, was er
von Jack Bruce hielt, und er antwortete: “Jack Bruce ist der Ursprung der
subharmonischen Quelle, aus der ich trinke. Die Virtuositaet auf dem E-Bass fing
mit ihm an. Er konnte nicht nur gleichzeitig spielen und singen, er spielte
wunderbar kontrapunktische Basspassagen gegen seine Gesangslinien. Von Jack
lernte ich, dass der einzige Weg, seine wahre musikalische Stimme zu finden,
unbaendige Leidenschaft ist. Sein Erbe wird fuer immer weiterleben in seinen
zahllosen Werken und den vielen starken Aesten, die aus Bruce’s Baum spriessen.“
Seit
Jeff Berlin vor ueber 20 Jahren in die Szene eingebrochen ist mit seinen
wunderbaren Beitraegen zu Bill Bruford’s exzellenten Soloerken, hat er die
Faehigkeiten von Jack Bruce gelobt. Wie wir alle wissen, hat Jeff eine bluehende
Solokarriere und ist sicher ein “Champion“ auf dem Bass. Es ist nur recht,
dass ich diesen Artikel mit Jeff’s treffenden und aus tiefstem Herzen
empfundenen Gedanken ueber Jack beende: “Ohne Jack Bruce wuerde der
elektrische Bass wohl noch heute ein Schattendasein fristen. Er war der erste
Virtuose auf diesem Instrument. Bei Cream
ruhte die Tonalitaet der Band komplett auf ihm. Clapton spielte den Blues, Bruce
das Orchester. Das haette mit einem „normalen“ Bassisten nie funktioniert.
Seine Soloalben sind einzigartige Juwelen musikalischer Originalitaet. Wie
wuerden wir wohl alle spielen, wenn Jack nicht aufgetaucht waere und sich der
Rolle des Bassisten angenommen haette, sie in die musikalischen Hoehen getragen
haette, von denen wir uns alle inspirieren lassen koennen?“ Welch
wahre Worte… Speziellen
Dank an Dann Glenn fuer seine Gedanken ueber Jack Bruce, die wunderbaren Bilder
und dafuer, dass er den Lesern Jeff Berlin’s Gedanken naehergebracht hat. Noch
mehr Informationen ueber Jack Bruce gibt’s auf seiner Homepage: http://www.jackbruce.com/
Tony Senatore , Juni 2001. Tony kann
auf senny@pccom.net erreicht werden. Seine
Homepage ist: http://www.senny.com/
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