Global Bass Online May 2001
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Ragas und westliche Tonleitern Von
Lucas Pickford Kuerzlich
habe ich mich in die Welt der klassischen indischen Musik vertieft. Die Musik
aus Indien ist eine faszinierend tiefe, komplexe Kunstform, die viel gemeinsam
hat mit unserer amerikanischen Kunstform des Jazz. Beide bestehen aus
Improvisation und komplizierten rhythmischen Mustern, und beide verfuegen ueber
eine Vielzahl von Tonleitern fuer ihr Melodiematerial. Die meisten von uns
wissen wahrscheinlich nicht viel ueber die Musik aus Indien oder kennen ihre
musikalischen Legenden, ausser vielleicht den Sitar-Virtuosen Ravi Shankar. Ravi
ist einer der wenigen grossartigen indischen Musiker, von denen auch der
durchschnittliche Amerikaner schon gehoert hat. Das hat er aber auch verdient
als einer der faszinierendsten Musiker des 20. Jahrhunderts auf der ganzen Welt.
Trotzdem haben wir heutzutage in der amerikanischen Szene bereits viele
grossartige Musiker aus Indien. Leute wie der Tabla-Meister Zakir Hussain, das
Mandolinen-Wunderkind U. Shrinivas, und das Sarod-Genie Ali Akbar Khan, um nur
einige zu nennen. Sie sind alle hervorragende Meister auf ihren Instrumenten und
haben alle schon mit unseren groessten Stars aus der Jazz- und Rockszene
gespielt. In dieser Kolumne moechte ich einige Parallelen zwischen den Ragas aus
Indien und einigen der Tonleitern, die wir hier im Jazz und in anderen
westlichen Musikstilen benuetzen, aufzeichnen. Zuerst
einmal, was ist ueberhaupt eine Raga? Nicht nur einfach Tonleitern, Ragas sind
exakte Melodieformen mit verschiedenen auf- und absteigenden Variationen
derselben. Einige Noten werden gebraucht, um die ganz spezielle „Farbe“
jeder Raga hervorzubringen. Gewisse Stufen der Raga werden akzentuiert und
ausgeschmueckt, was jeder Raga ihren eigenen, einzigartigen Klang verleiht.
Viele indische Musiker betonen jedoch gerne, dass, obwohl Ragas in modaler Form
sind, sie sich doch grundlegend von den Tonleitern unterscheiden, die wir hier
lernen. Die feinen Unterschiede in der Tonreihenfolge, die Verwendung einer
dissonanten Note hier, eine bestimmte Betonung da, das Gleiten von einem Ton zu
einem anderen, und die Verwendung von Mikrotoenen zusammen mit anderen
Feinheiten unterscheiden eine Raga von der anderen. Viele, viele Ragas die ich
kenne haben keinen Gegen-Part, weder in der Stimmung noch der Tonleiter, wegen
ihrer verschiedenen auf- und absteigenden Variationen. Was jedoch nicht heisst,
dass sich ihre Pfade nicht mit denen unserer westlichen Tonleitern kreuzen, das
tun sie sehr wohl. Einer
der inspirierendsten Musiker aus der Jazz-Welt, der mit indischen Musikern
zusammengearbeitet und Grenzen ueberwunden hat, ist fuer mich der einzigartige
Gitarrist John McLaughlin. Seit seinen Anfaengen in den 70ern mit dem Mahavishnu
Orchestra und seiner fantastischen Gruppe Shakti mit Zakir Hussain hat er
gezeigt, was moeglich ist, wenn man diese zwei reichen Traditionen kombiniert.
John tourt noch immer mit Shakti, und ihre Musik ist wirklich erstaunlich. Wenn
Du sie nicht kennst, solltest Du das rasch nachholen. Es gibt auch andere wie
den Bassisten Jonas Hellborg und Bela Fleck and the Flecktones, die auch
fantastische Sachen gemacht haben mit indischen Musikern. Ich moechte Euch
wirklich alle ermutigen, auch die unter Euch, die denken, sie moegen indische
Musik nicht, einige der Werke dieser Meistermusiker zu erforschen. Die
technischen Faehigkeiten von Leuten wie Zakir Hussain und U. Shrinivas sind
betoerend. Indische Musik ist nicht nur das Ding mit den Hippies, freier Liebe
und Beweihraeucherung. Es ist einer der technisch am weitesten entwickelten,
rhythmisch komplizierten Musikstile der Welt, und wenn Du ihm eine Chance gibst,
wirst Du sicher nicht enttaeuscht werden. Hier
sind einige Ragas, die gewoehnlich beim Abstieg sehr aehnlich sind wie viele der
Stimmungen und Tonleitern, die wir von der westlichen Musik kennen. 1. Rag
Bhimpalasi (aufsteigend) C-Eb-F-G-Bb-C
(absteigend) C-Bb-A-G-F-Eb-D-C Diese Raga erinnert mich an eine aufsteigende Moll-Pentatonik und die absteigende dorische Tonleiter. 2.
Rag Bihag (aufsteigend) C-E-F-G-B-C
(absteigend) C-B-A-G-F#-E-D-C Diese ist gleich der reinen Dur-Pentatonik sowie der lydischen Tonleiter beim Abstieg. 3. Rag
Kirvani (aufsteigend) C-D-Eb-G-Ab-B-C
(absteigend) C-B-Ab-G-F-Eb-D-C Diese erinnert an die Tonleiter von harmonisch Moll. 4. Rag
Tilang (aufsteigend) C-D-E-F-G-A-B-C (absteigend)
C-Bb-A-G-F-E-D-C Hier geht es eine Durtonleiter hinauf und eine mixolydische herunter. 5. Rag
Pilu (aufsteigend) C- Eb- F-G-B-C
(absteigend) C-Bb-Ab-G-F-Eb-D-C Gleich
der melodischen Moll-Pentatonik hinauf und die aeolische Tonleiter wieder
herunter. Wie
man sieht, sind einige dieser Ragas wie Teile von Tonleitern. Einige Toene
werden ausgelassen beim Auf- oder Abstieg, was die melodischen Moeglichkeiten
beim Improvisieren leicht veraendert. Ich habe erst etwas an der Oberflaeche der
indischen Musik gekratzt, aber ich werde weiterfahren, sie zu studieren und mehr
darueber zu lernen. Schliesslich ist die Musik die Sprache der Welt, mit ein
wenig anderen Dialekten je nach dem, wo man sich befindet. Um mehr ueber diese
Tonleitern und generell ueber indische Musik zu lernen, hoer Dir die „Sounds
of India“ Seite meiner Website an:
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